Der rumänische Staatspräsident Iohannis gehört zur Minderheit der Siebenbürger Sachsen - doch die meisten Deutschstämmigen haben Rumänien verlassen. Einige von ihnen sind für einen besonderen Besuch zurückgekehrt.

Die Pfarrerstochter Elisabeth Wagner wurde zur Rebellin, als sich das kommunistische Regime in ihr Privatleben einmischte: Erst dann wollte sie Siebenbürgen verlassen und nach Deutschland auswandern. "Ich habe mich als Angehörige der deutschen Minderheit in Rumänien aber nie diskriminiert gefühlt", erinnert sich die Lehrerin, die heute in Leverkusen lebt: Ihre Probleme seien in der Diktatur ähnlich gewesen wie die der rumänischen Mehrheitsbevölkerung. Sie gehört zu den rund 15.000 Siebenbürger Sachsen, die am Wochenende in Hermannstadt (Sibiu) am Internationalen Treffen der Siebenbürger Sachsen teilgenommen haben. Die meisten von ihnen sind aus Deutschland angereist und kehren für ein paar Tage in die alte Heimat zurück. In Rumänien leben heute nur noch knapp 20.000 Siebenbürger Sachsen - 1989 waren es noch 115.000. Der prominenteste Vertreter der Siebenbürger Sachsen ist der rumänische Staatspräsident Klaus Iohannis. Auch er war zum Treffen gekommen.

Elisabeth Wagners langer Abschied von der Heimat begann, als ein Geheimdienstler ihrem Vater, dem evangelisch-lutherischen Dorfpfarrer aus Ungra (deutsch: Galt) erzählte, seine Tochter hätte in einem Studentenwohnheim mit mehreren ausländischen Studenten geschlafen. In Wirklichkeit traf sich die junge Elisabeth lediglich mit einem ausländischen Studenten, ihrem Freund Olivier aus Madagaskar. Richtig war, sie waren ein Liebespaar. Der junge Kommilitone wurde als vermeintlich gefährliches "subversives ausländisches Element" beschattet. Aus Sicht der "Securitate" planten die beiden eine gefährliche "Konspiration" gegen das System. Stattdessen kam es höchstens zu einer "Konspiration" der Herzen, die auch heute, 35 Jahre später, weitergeht: Elisabeth und Olivier sind glücklich verheiratet und haben zwei Töchter.

Trotz der Schikanen des Geheimdienstes fiel der Abschied von Siebenbürgen damals in den 80er Jahren schwer. "Vielleicht schmerzt die Sehnsucht, vielleicht ist es schwer, den Kontakt zum neuen Leben zu finden. Zum Teil haben wir anfangs in einer Parallelwelt gelebt", erinnert sich Elisabeth Wagner.

Rumäniens Präsident Iohannis (Mitte) beim Sachsentreffen in seiner Heimatstadt Sibiu (Hermannstadt), in der er dreimal als Bürgermeister wiedergewählt wurde

"Ich fühlte mich verloren"

Der Geheimdienst listete akribisch alles auf, was ihre Mutter als Habseligkeiten der Familie eingepackt hatte - sogar die Suppenkelle. Dann kam der Abschied: "Ich erinnere mich sogar, dass der Hund traurig war. Er hat nicht einmal gebellt, als der Pferdewagen ankam, mit dem wir zum Bahnhof gefahren sind. Die Dorfbewohner standen vor ihren Türen auf der Hauptstraße, und blickten uns wortlos an. Ich fühlte mich irgendwie verloren", sagt Elisabeth Wagner. An der rumänisch-ungarischen Grenze musste die Familie die Grenzpolizisten mit Kaffee und Zigaretten bestechen. "Eine ältere Dame aus unserem Zug hatte nichts dabei, um sie zu bestechen - und musste den Zug sofort verlassen."

In Deutschland fühlte sie sich anfangs nicht gerade willkommen, erinnert sich Elisabeth Wagner. "Als wir übermüdet, traurig und auch etwas schmutzig nach der langen Reise an der österreichisch-deutschen Grenze ankamen, fragte uns der deutsche Grenzbeamte, woher wir kommen. Als wir geantwortet haben, aus Rumänien, sagte er, dass wir auch genau so aussehen." Das habe weh getan, sagt die Lehrerin. In Deutschland sprach die Familie selten über das Leben, das sie in Siebenbürgen zurückgelassen hat. "Hätte ich damals gewusst, dass es schon in vier Jahren zum Sturz des Diktators Ceausescu kommen wird, wäre ich vielleicht geblieben - trotz der Schwierigkeiten in den Jahren nach der Wende", meint die Lehrerin.

"Daheim ist es schwieriger - aber ich bleibe"

Einer der wenigen Siebenbürger Sachsen, die tatsächlich geblieben sind, ist Eckhart Erdei: Sein Vater habe es ihm nicht erlaubt, nach Deutschland auszuwandern. Heute ist er der letzte Angehörige der deutschen Minderheit im Dorf Hoghilag (deutsch: Halelajen). Ihm gehört die Wirtschaft gegenüber der evangelischen Kirche - und rund 30 Kühe. Er führt die Familientradition weiter und züchtet Tuberosen. Früher wurde das Geheimnis dieser eher exotischen Blumenzüchtung von etwa 15 siebenbürgisch-sächsischen Familien gehütet, heute teilt es Eckhart Erdei mit dem ganzen Dorf. Zweimal im Jahr verkauft er seine Blumen an Großhändler aus der rumänischen Hauptstadt Bukarest. Manchmal arbeitet er zeitweilig in Deutschland, aber er kehrt immer wieder zurück. "Daheim ist es vielleicht schwieriger, Geld zu verdienen, aber ich bin eben in der Heimat", sagt Eckhart Erdei.

Der Verlust der Heimat ist Elisabeth Wagner schwer gefallen. Heute engagiert sich die Lehrerin für Menschen, die ihre Heimat unter noch dramatischeren Umständen verlassen haben: Als Freiwillige unterstützt sie Flüchtlinge beim Deutschlernen. "Die Geschichte meiner Familie ist aber nicht zu vergleichen mit dem Schicksal dieser Menschen, deren ganze Vergangenheit vom Krieg zerstört wurde", sagt sie nachdenklich. Elisabeth Wagner kann jederzeit nach Rumänien zurückkommen. Ganz besonders freut sie sich auf das nächste Wochenende: Eine ihrer Töchter wird mit der deutschen Band Roosevelt auf einem der beliebtesten Musik-Festivals Rumäniens auftreten.